Juergen Schnegelsberg

Jürgen Schnegelsberg m.a.

19.10.1959 bis 12.7.2009

Jürgen Schnegelsberg wuchs in Kassel auf. In Münster studierte er Germanistik/Publizistik. Seine erste Stelle als Journalist, sein Traumberuf, hatte er Anfang der 90er Jahre beim DMV-Verlag in Eschwege inne. Beim DOS-Test-Magazin teste er nicht nur BTX-Decoder, sondern nahm in seiner Kolumne als Dr. Rigoros die damals entstehende Computer-Branche aufs Korn.

Leider ging der DMV-Verlang den Bach runter. Nach einigen Zwischenstationen arbeitete Jürgen zuletzt viele Jahre für die Taunus-Zeitung in Usingen.

Mit seiner Gesundheit stand es nie zum besten, aber als er sich Anfang Juli mit Magenschmerzen ins Krankenhaus verabschiedete, ahnte niemand, daß es sein letzter Abschied sein würde.

Dies hätte sein Blog werden sollen.


Nachruf der Taunus-Zeitung

Manchmal fühle ich mich wie eine Kerze, die an zwei Enden brennt.

Jürgen Schnegelsberg

Viva la Revolution. Der Kampf geht weiter!

Jürgen Schnegelsberg

Die Kapelle

Droben stehet die Kapelle,
Schauet still ins Tal hinab.
Drunten singt bei Wies' und Quelle
Froh und hell der Hirtenknab'.

Traurig tönt das Glöcklein nieder,
Schauerlich der Leichenchor,
Stille sind die frohen Lieder,
Und der Knabe lauscht empor.

Droben bringt man sie zu Grabe,
Die sich freuten in dem Tal.
Hirtenknabe, Hirtenknabe!
Dir auch singt man dort einmal.

Ludwig Uhland, 1805

Js

Mit Jürgen verliere ich meinen ehemaligen Ausbildungs-Redakteur, der diesen Text 100 mal besser geschrieben hätte als ich. Mein Vorbild beim Schreiben und in Sachen spitzer Feder. Ich verliere einen Menschen mit einer unglaublich facettenreichen Persönlichkeit. Ich verliere einen empathischen Zuhörer, der meine Entscheidungen hinterfragte und der mit seinen erfrischenden Perspektive Laxheit, Faulheit und Mittelmäßgkeit nicht gelten lies. Ich verliere einen Lebensbegleiter, der sich für mich alle Beine ausgerissen hätte.

Die Welt verliert einen brillanten Journalisten. Ich verliere einen Freund.

Jürgen: thanks for being a friend.

Bernd Neuner, Erlangen

Lieber Jürgen, ich hatte keine Möglichkeit Auf Wiedersehen zu sagen, du hast alle verlassen, bevor es jemand wußte. Deine Art mir seit Jahren per Mail zu schreiben, die mir vertraut war, kommt nicht mehr! Ein Mensch der mir immer mit Rat zur Seite war, lebt nicht mehr. Was mir bleibt, sind Dank und Erinnerung an Dich.

Ändern kann ich nichts mehr, aber dich vermissen um so mehr!

Renate Dany, Mönchengladbach

Mit Jürgen verliere ich einen Menschen, den ich seit 33 Jahren kannte.

Schon zu Schulzeiten saßen wir nebeneinander im Deutsch – LK.

In diesen 33 Jahren unserer Freundschaft gab es viele gute, aber auch schwierige Zeiten, von unzähligen Begegnungen sind diese Jahre geprägt: viele Briefe, Telefonate, gemeinsame Fahrten zu unseren Studienorten, Weihnachtsfeste im Kreis unserer Familie, und so vieles mehr. Zeitweise ging er wöchentlich bei uns ein und aus, und meistens hatte er eine Kleinigkeit für die Kinder dabei oder Pralinen für mich.

Es gab auch Zeiten mit wenig Kontakt, aber immer wussten wir uns auf eine gewisse Art verbunden.

Nie ging uns der Gesprächsstoff aus, es gab immer etwas zu erzählen.

Nun schaue ich auf die vielen Fotos in unseren Familienalbum auf denen er zu sehen ist, und trauere um meinen langjährigen Freund Jürgen.

Mögest du, lieber Jürgen, bei Gott nun glücklicher sein als du es hier auf der Erde warst!

In liebevollem Gedenken deine Freundin Sabina

Lieber Jürgen, es ist schon viel gesagt, noch mehr geschrieben. Alles ist richtig und wahr und dennoch können keine Worte, seien sie noch so lang oder kurz ausdrücken, wie sehr Du fehlst und welche Lücke Du hinterlässt.

Tatjana

„Wie heißen Sie? Stumm? Was für ein seltsamer Name für eine Mitteilende“, sagte Jürgen zu mir, als wir uns zu Beginn seiner Journalisten-Tätigkeit in Usingen kennenlernten. Er, als ewig Suchender und schüchterner Einzelgänger, fühlte sich anfangs nicht wohl in seiner neuen Heimat, wollte am liebsten wieder alles hinschmeißen. Wir haben oft miteinander diskutiert, denn ich gehöre zu den Menschen, die versuchen, anderen Mut zu machen.

„Du bist wie meine Mutter“, sagte er später einmal zu mir. Das fasste ich als großes Kompliment auf, weil ich wusste, wie er seine Mutter, die er bis zu ihrem Tod pflegte, geliebt hatte.

Vor Jürgen hatte ich große Achtung. Er war äußerlich zwar klein und doch irgendwie stets erhaben, denn sein journalistisches Talent war herausragend, das wusste er, und genau das machte seine innere Stärke aus, die er so bitter nötig hatte.

An dieser Stelle möchte ich zwei lyrische Betrachtungen eingeben, die ich seinerzeit für ihn geschrieben habe. Beide Texte befinden sich in meinem Lyrik-Buch »Liebe kennt den Weg zum Garten Eden«.

»Nichts als Stress« entstand 2003. Er war böse auf mich, als er das gelesen hatte. Später gab er mir Recht. – Ob er meinem Rat gefolgt ist, weiß ich nicht. Er ist jung gestorben, zwei Monate vor seinem 50. Geburtstag. Das macht mich sehr betroffen. Ich bin sehr traurig.

Gisela Stumm

In Sorge um einen guten Freund (von 2003)

Nichts als Stress

Mit Blindheit hat man dich geschlagen,
da du die Schönheit dieser Welt nicht siehst.
Hektik hat von dir Besitz ergriffen,
der Alltag frisst dich langsam auf.
Stress sitzt dir im Nacken
wie eine Riesenkrake,
die ihre kräftigen Tentakel
auf deinen Rücken, den schmerzenden,
geheftet hat.

In deinem Kopf herrscht reges Treiben,
unzählige Gedanken wimmeln
wie Ameisen in ihren Haufen.
Schleichend verätzt Salzsäure
deine Magenwände.
Die einst geliebte Tasse Kaffee
erscheint dir unverträglich.
Völlig brach liegt der Appetit
auf Schokolade.

Wie ein rasender Reporter
hetzt du Terminen hinterher.
Ohne großen Lustgewinn
hakst du die Feste deiner Freunde ab.
Stärker als gewöhnlich
drückst du das Gaspedal,
- reine Glücksache, dass du noch lebst! -
Längst ist nervöses Augenflackern
einem starren Blick gewichen.

Manchmal
träumst du mit offenen Augen
nur vom Schlafen,
drei Tage - Nächte lang an einem Stück.
Und doch gibst du dich keiner Ruhe hin.
Du glaubst, die Welt, sie bliebe stehen,
wenn du dir eine Aus-Zeit gönnst.
Steht nicht im Buch der Bücher:
"Am siebten Tage sollst du ruh'n"?

Du Narr!
Bald wird der freudenreiche Sommer
sein Zepter einem kalten Winter reichen.
Dann stehst du da, verbraucht,
mühsam gestützt auf einen Gehstock,
und rufst nach deinen warmen Puschen.
„Ich habe nichts gehabt von meinem Leben“,
wirst du sagen,
„nichts Weiteres als Müh‘ und Plag‘!“

Himmelschlüsselchen, du kennst sie nicht.
Nie gesucht hast du das Glückskleeblatt.
Keine Zeit nahmst du dir für rote Rosen.
Deine Liebchen hat der Wind verweht
wie die Schirmchen einer Pusteblume.
Würde noch so viel Vergissmeinnicht
auf deinem Hügel blühen,
für deinen übertriebenen Fleiß
wird die Nachwelt dir nicht danken.

Drum wünsch ich dir als Ausgleich
und im Wechsel eine Pause,
dass Stille dir nicht unerträglich ist
und dass du spürst,
wie Ruhe deine Seele stärkt.
Betrachte die Natur mit Kinderaugen,
male Sehnsucht in die Wolken,
atme die Unendlichkeit
des Himmels ein.

Ich wünsche dir
Gelassenheit und Glück,
dass du den Schlüssel findest,
der die Tür des Herzens öffnet.
Ich wünsche dir
den starken Glauben,
dass es auch für dich
auf unserer großen Erde
kleine Paradiese gibt.


Im gleichen Jahr 2003 entstand »Der Schneck«. Dieser Text hat ihn sehr berührt.

Ein paar Wochen nach seinem Tod (2009) fand in der neuen Trauerhalle in Schmitten für ihn eine Gedenkstunde statt, es war die offizielle Trauerfeier für seine Freunde und Kollegen. Jeder konnte sich in persönlicher Weise von ihm verabschieden. Ich hatte mich zu dieser lyrischen Betrachtung (mit vielen Metaphern) entschlossen. Wenn ich denText heute lese, geht er mir selber immer noch unter die Haut.


E l e g i e
eines vom Schicksal
körperlich Benachteiligten


Der Schneck

Bin ein Lebewesen,
weich und verletzlich,
umgeben von derber Hülle,
schmerzlose Hornhaut,
auf der ich kriechen muss.

Trage ein Häuschen
auf meinem Rückenv
als Versteck vor der Welt.
Fühl‘ mich gefangen und
eng an mein Schicksal gekettet.

Warum bin ich verbannt
auf dem Bauche zu kriechen?
Möchte mich lösen
aus meinem Panzer
und schweben davon.

Will tanzen durch weite Fluren,
wie ein Schmetterling flattern
in Blumengärten,
aus duftenden Blüten
süßen Nektar trinken.

Möchte dir liebend gerne
einen glitzernden Stern
von der Himmelswiese pflücken.
Ach, nur die Träume
machen mein Leben erträglich.

In mir ruht die Hoffnung,
dass du mich verstehst.
Nimm‘ mich so,
wie ich bin:
ein Außenseiter,

dem nicht gewährt wird,
wie andere zu leben.
Auch ich bin geschaffen
von Gottes Hand,
beseelt von seinem Geiste.

Was soll ich hadern?
Kann doch nichts ändern.
Es ist, wie es ist.
Mir bleiben nur treu
die unerfüllbaren Wünsche.

Darum bitte ich dich,
die mir freundlich zugetan,
schließe mich ein,
wenn du kannst,
in dein stilles Gebet.

Gisela Stumm